Vor längerer Zeit war ich auf einem Geburtstag eingeladen. Dort habe ich einige Gäste nicht gekannt und wie das so ist, lernt man sich dann auch über die Frage „Und was machst du so?“ näher kennen.
Als ich erzählt habe, wer ich bin und dass ich Angehörige und Familien mit ihren pflegebedürftigen Eltern unterstütze, da gab es auf einmal sehr spannende Gespräche.
Es hat sich nämlich herausgestellt, dass gleich drei Frauen auf dieser Feier vor Kurzem oder schon länger in die Situation gekommen sind, dass ein Elternteil jetzt Pflege und einfach mehr Hilfe im Alltag braucht.
Die drei haben aber auch noch was anderes gemeinsam: alle drei kümmern sich nämlich um Mutter bzw. Vater, obwohl sie nicht um die Ecke wohnen. Die eine als einziges Kind, die anderen mit Geschwistern, die teilweise in der Nähe oder auch weiter weg von den Eltern wohnen. Eine der Frauen wohnt zwar im Nachbarort der Eltern, ist aber voll berufstätig. Und die beiden anderen wohnen viele Kilometer weit weg.
Wir haben uns dann viel über die Situationen und die Eltern ausgetauscht. Mich hat das Gespräch auch nach dem Geburtstag nicht mehr losgelassen.
Wie oft sprechen wir doch von den „pflegenden Angehörigen“ und meinen damit Kinder oder Ehepartner von pflegebedürftigen Senioren*innen, die direkt selbst pflegen, miteinander unter einem Dach oder ganz in der Nähe wohnen!
Gleichzeitig gibt es aber eine sehr große, immer weiter wachsende Zahl von „Distance Caregivers“. Distance Caregivers, das sind meistens die Kinder, die mitten im Leben und Berufsleben stehen, weit(er) weg von ihren Eltern leben und sich jetzt plötzlich um sie auch noch kümmern sollen/dürfen/müssen. (was alles zum „Kümmern“ auf Distanz gehören kann, beschreibe ich gleich noch).
Du kannst dir vorstellen, dass diese Kombination aus dem eigenem vollem Leben, dem Beruf, der Familie und der Sorge und Pflege der eigenen Eltern eine extreme Belastung sein kann!
In Deutschland gibt es derzeit ca. 4, 1 Mio pflegebedürftiger Menschen. Fast 80 % werden zuhause versorgt und hiervon wiederum zwei Drittel von den Angehörigen.
Wieviele pflegende Angehörige es ganz genau gibt, weiß man nicht, aber Schätzungen ergaben auch, dass etwa ¼ der Pflegenden Töchter und Söhne sind, die mind. 25 km weit wegwohnen. Dazu kannst du auch hier mehr lesen.
Da immer mehr Familien nicht mehr unter einem Dach und die Kinder für Ausbildung, Studium und Beruf vom elterlichen Wohnort wegziehen und auch wegbleiben, wird sich der Trend fortsetzen: Immer mehr Angehörige von pflegebedürftigen Senioren*innen werden Töchter und Söhne sein, die aus der Ferne pflegen. Sie werden im Pflegekontext und in der Wissenschaft auch „Distance Caregivers“ genannt.
Für mich gehören aber auch noch weitere pflegende Kinder zur Gruppe der „Distance Caregivers“: nämlich diejenigen, die zwar nah oder näher an den Eltern dran wohnen, die sich aber in ähnlicher Art und Weise wie die andern, die weit(er) weg wohnen und damit anders oder eingeschränkt um ihre Eltern kümmern können. Sie können wegen vieler Aufgaben im Leben und eigener „Baustellen“ nicht mehr von der direkten Pflege übernehmen. Oder wollen es nicht, weil sie es nicht für sich fühlen und die Distanz-Pflege einfach stimmig(er) für sie ist. Auch sie pflegen also aus der Ferne.
Bist du auch ein Distance Caregiver? Dann kann ich dir aus vielen Gesprächen und aus meinen Beratungen sagen (und die Zahlen oben sprechen ja für sich): du bist mit dieser besonderen Herausforderung nicht allein!
Zurück zu meinem Gespräch auf dem Geburtstag mit den drei sich auf Distanz und aus der Ferne kümmernden Töchter. Nachdem klar war, dass sie hier ein gemeinsames Thema haben, das sie sehr beschäftigt, haben sie sehr ehrlich und frei raus auch erzählt, wie schwierig die Situation teilweise ist.
Welche Aufgaben rund um die Versorgung und Pflege der Eltern haben sie ganz oder teilweise auch aus der Ferne konkret übernommen oder was ist auch ständig und anhaltend eine Herausforderung?
Hier möchte ich dir mal eine Auswahl an Aufgaben aufzählen, die je nach Situation mehr oder weniger umfangreich sind:
„Was mich am meisten belastet ist eigentlich, dass ich ein ständiges schlechtes Gewissen habe.“ Das Gespräch auf dem Geburtstag mit den drei sich kümmernden Töchtern wurde nach und nach immer offener und sehr emotional.
Das ist auch meine Erfahrung in der Pflegeberatung und Angehörigenbegleitung: Das eine sind die Rahmenbedingungen und die Versorgung zu organisieren (und über die verschiedenen Möglichkeiten Bescheid zu wissen). Damit beschäftigt sich ein „Distance Caregiver“ meistens auch viel und anhaltend.
Aber: die innere Zerrissenheit, dass man aus der Ferne nicht ständig präsent sein kann, dass es immer ein Balanceakt auch für die eigenen Kräfte ist: das sind die Haupt-Probleme für viele Töchter und Söhne, die sich aus der Ferne um die Eltern kümmern.
Es ist schon schwierig, dass man die eigenen Eltern alt und hilfsbedürftig erlebt und man doch möchte, dass es ihnen sehr gut geht, dass sie glücklich sind. Dazu kommt dann, dass es der älteren Generation wirklich oft schwer fällt, Hilfe anzunehmen. Auch ein Umzug ins Pflegeheim ist für viele ein ganz schwieriges Thema. Dazu kommt dann vielleicht der Punkt, dass man auf Distanz gar nicht so richtig einschätzen (oder kontrollieren) kann, ob die Pflege jetzt klappt. Viel Vertrauen von beiden Seiten ist nötig, ein offenes Kommunizieren und das – und überhaupt die Kommunikation auf Distanz mit den betagten Eltern – das ist eine riesige Herausforderung.
Als „Distance Caregiver“ kümmern sich Söhne und Töchter oft so viel um ihre betagten Eltern. Und das wird vielleicht gleichzeitig gar nicht von den anderen gesehen. Von den Eltern nicht, von den Geschwistern nicht. Vielleicht bekommt man sogar Vorwürfe und zu hören: „Du bist ja nie da. Du kümmerst dich ja nicht!“.
In einer Familie, in denen sich auch noch andere um die Versorgung mit kümmern, gibt es manchmal auch ganz verschiedene Interessen – und jeder möchte seine ein bisschen durchsetzen. Das führt dann auch zu Konflikten, die das ganze System Familie durcheinanderwirbeln…
Funktioniert das Netzwerk vor Ort? Ist da jemand, der „nach dem Rechten schaut“?
Ich könnte den Text noch immer weiter schreiben, weil es so viele Punkte geben kann, die zur riesigen Herausforderung werden – gerade, wenn man aus der Ferne pflegt.
Hast du dich, falls du zu den Distance-Caregivers gehörst auch wiedererkannt oder konntest beim einen oder anderen Punkt zustimmen?
Ich glaube vor allem auch der Punkt der psychischen Belastung ist für Kinder, die sich kümmern, riesengroß!
Aber: keine*r muss da alleine durch. Erstmal ist es ja gut zu wissen, dass das Thema auch viele andere betrifft. Man ist nicht oder weniger alleine damit. Und man kann sich gegenseitig austauschen, sich Tipps und Hilfe geben.
Wenn du auch mal Gespräche wie auf dem Geburtstag mit den drei Töchtern führen kannst, dann möchte ich dich da ermutigen: mach das, öffne dich gegenüber deinen Freunden und im Umfeld und du wirst sehen, dass du damit nicht alleine bist. Und dann kann man sich eben auch Mut und Kraft geben.
Und auch ich bin für dich da: Jeden einzelnen Punkt deiner persönlichen Herausforderungen, ob die Organisation aus der Ferne oder auch die mentalen Belastungen, können wir in einer Beratung durchsprechen. Aus meiner Erfahrung, meinem Wissen und meiner Expertise heraus, begleite ich dich ganz persönlich dabei, dass du den Pflege-Berg schaffst.
Schreib mir dazu einfach eine Mail und wir vereinbaren ein kostenfreies Info-Gespräch: mail@lebenslang-mensch.de
Herzlichst,
Anette
PS: Kennst du eigentlich schon meine Erste-Hilfe-Maßnahmen für das Pflegen aus der Ferne? Hier kannst du sie dir herunterladen (0 Euro).
Bist auch du ein „Distance Caregiver“? Wie geht es dir dabei? Schreib mir dazu eine Mail und verbinde dich auch auf Facebook mit mir.